Humboldt-Universität zu Berlin - Familienbüro

Interview zu Erasmus mit Kind in Spanien

vera maelzigDie Idee, Spanisch zu studieren, kam beim Salsa tanzen. Vera begann 2012 ihr Lehramtsstudium in den Fächern Spanisch und Deutsch und wagte in ihrem dritten Semester das Abenteuer Erasmus mit Kind. Mit ihrem damals 5-jährigen Sohn zog sie für ein Jahr nach Spanien und studierte an der Universidad Complutense de Madrid. Heute ist sie im Master und blickt im Interview mit dem Familienbüro auf diese Zeit zurück.

 

Du warst alleine für ein Jahr mit deinem Sohn in Spanien. Was hat dich dazu bewegt und wie hast du dich vorbereitet?

Vera: Spanisch zu hören und zu sprechen – das gefällt mir. Schon vor meinem Studium gefiel mir das und als ich sogar angefangen habe, Spanisch richtig zu studieren, wollte ich ziemlich schnell auch ein Auslandsjahr in Spanien machen. Ich hatte mich direkt in meinem ersten Semester an der HU erkundigt, wie das funktioniert, sodass ich dann schon das dritte Semester an der Partneruni in Madrid studiert habe. Zur Vorbereitung: Das wichtigste waren drei Dinge. Erstmal musste ich das mit dem Papa abklären (wir leben getrennt). Zu Beginn war er von der Idee, dass sein Sohn mit der Mama für ein Jahr fort ist, nicht überzeugt. Wir haben aber lange und viel darüber gesprochen und uns geeinigt, dass er uns oft besuchen kommen und dann auch meine Wohnung nutzen kann. Außerdem haben wir direkt alle Flüge über das Jahr im Vorhinein gebucht, sodass es auch für ihn günstig war, so oft zu kommen. Als das geklärt war, kam dann die Frage nach der Betreuung und der Wohnung.

 

Wie bist du da vorgegangen?

Mein Sohn war damals 5 und das ist in Spanien schwierig, denn damit war er zu alt für den Kindergarten und musste stattdessen in die Vorschule, wo aber der Unterricht auf Spanisch war. Die Alternative wäre gewesen, ihn in privaten Einrichtungen anzumelden, aber die waren so teuer, dass ich sie mir nie hätte leisten können. Ich habe mich dann nach anderen Möglichkeiten umgesehen und bin auf die spanisch-deutsche Schule gestoßen. Das ist eine teils staatliche, teils private Schule mit Vorschule und die hat dann „nur“ 600 Euro im Monat gekostet. Ich habe wirklich gesucht, aber alles andere wäre dann nur noch teurer gewesen. Für Kinder ab 6 Jahren, also ab der ersten Klasse, sind die Kosten allerdings etwas geringer und liegen bei nur noch etwa 150 EUR im Monat.

Die 600 Euro für die Vorschule haben wirklich einen Großteil des Budgets eingenommen, aber ich konnte das durch die Wohnung stemmen. In Berlin hatte ich eine große 3-Zimmer-Wohnung, die ich für das Jahr möbliert untervermietet habe. In Madrid habe ich zuerst alleine in einer 2-Zimmer-Wohnung gewohnt, die ich im Internet gefunden hatte. Eine Bekannte, die gerade in Madrid war, hatte für mich die Wohnungsbesichtigung übernommen. Nach kurzer Zeit bin ich aber dort raus um in die WG von einer Freundin zu ziehen, wo ich für mein kleines Zimmer nur 250 Euro gezahlt habe. Mit der Erasmusförderung und der Mietdifferenz zwischen meinem WG-Zimmer und meiner Wohnung in Berlin konnte ich dann die Schule bezahlen.

 

Lies es sich gut mit Kind in einer WG wohnen?

Anfangs dachte ich noch, dass wir eigentlich zwei Zimmer brauchen würden. Eines, in dem mein Sohn schläft und ein anderes, wo ich dann für die Uni arbeiten kann. Das braucht man aber eigentlich nicht, denn in Spanien haben WGs immer ein Gemeinschaftszimmer. Wir waren dann meistens im Wohnzimmer, in der Küche oder einfach draußen und haben unser kleines Zimmer nur zum Schlafen genutzt. Ich habe dann auch einfach im Wohnzimmer gelernt – das hat prima geklappt. In der WG hatte ich tolle Mitbewohner, die dann auch mal auf meinen Sohn abends aufgepasst haben, damit ich auch mal ausgehen konnte.

 

Wie waren die ersten Wochen für dich und deinen Sohn?

Es war zu Beginn schon schwer – alles andere wäre gelogen. Als wir angekommen sind, hatten wir noch eine Woche vor der Einschulung, die wir uns dann genommen haben, um erst mal die Gegend zu erkunden. Wir sind dann auch den Weg zur Schule abgelaufen. Vor allem für ihn war es in der ersten Zeit sehr schwierig. In der Vorschule wurde meist nur Spanisch gesprochen und nicht nur die Kinder, auch Eltern und Lehrer konnten nur wenig Deutsch, sodass er wegen der Sprache schwer da reingefunden hat. Es gab eine Deutschlehrerin, die war auch nur stundenweise an der Schule, die hat ihm viel Halt gegeben und sich Zeit für ihn genommen. Und dann gab es einen Jungen, der einen deutschsprachigen Papa hatte und deshalb auch etwas Deutsch konnte. Mein Sohn hat sich dann mit dem angefreundet. Wie gesagt, die Sprache und natürlich die neue Umgebung: Das war eine Hürde, aber ab Weihnachten, da waren wir schon drei Monate in Madrid, fing er an zu sprechen – und dann auch ohne Halt. Ab da ging es auch schnell bergauf für ihn und da merkte ich, dass es bei ihm jetzt auch läuft. Er hat dort Freunde gefunden, ist dann auch im Unterricht mitgekommen und in der WG fühlte er sich auch wohl.

Weil der Start für meinen Sohn anfangs aber so schwer war, fiel es mir natürlich als Mutter auch schwer. Ich war während der Vorlesungen oft in Gedanken bei ihm und habe mich gefragt, wie das für ihn gerade ist. Deshalb war das auch für mich eine große Erleichterung, als ich gesehen habe, dass er dort, zwar mit Umwegen, dennoch in der Schule angekommen ist.

 

Wie war für dich das Uni-Leben? Wie bist du mit dem dortigen Unisystem zurecht gekommen?

Anfangs hatte ich Probleme mit meinem Learning Agreement. Als das Semester startete, kam raus, dass viele Kurse, die ich im Learning Agreement angegeben hatte, zum neuen Semester nicht mehr angeboten wurden. Ich habe mich dann nach Alternativen umgesehen und bin dann auf einen deutsch-spanischen Studiengang an der Uni gestoßen, wo ich Kurse belegt habe. Später, als die jeweiligen Stundenpläne veröffentlicht wurden, habe ich jedoch erfahren, dass einige meiner Kurse erst nachmittags beginnen würden, wenn ich meinen Sohn abholen müsste. Die konnte ich dann nicht mehr belegen, sodass ich nicht so viel studieren konnte, wie ich mir eigentlich vorgenommen und auch mit dem Erasmus-Büro vereinbart hatte. Im Anschluss an mein Jahr habe ich dann Post vom Erasmus-Büro meines Instituts bekommen, wo ich um Stellungnahme gebeten wurde, warum ich mein Learning Agreement nicht erfüllt habe. Ich habe dann zurückgeantwortet und erklärt, dass ich viele Kurse unerwartet zeitlich nicht besuchen konnte, was dort auch auf Verständnis stieß.

 

Wie kamst du mit den Anforderungen in den besuchten Kursen zurecht und gab es für dich als Studentin mit Kind Sonderregelungen?

Nein, das ist mir nicht bekannt, dass es so etwas gab. Trotzdem, meine Professoren waren immer sehr kulant und freundlich mir und allen Erasmus-Studierenden gegenüber. Zum Beispiel musste ich nach meiner Prüfungsordnung ein Modul, das ich in Spanien belegt habe, mit einer mündlichen Prüfung abschließen, jedoch wurde aber vor Ort nur eine schriftliche angeboten. Ich habe mit dem Professor gesprochen und dann hat er für mich kurzerhand eine mündliche Prüfung angesetzt und sich hierfür extra die Zeit genommen.

Auch wenn ich Spanisch nicht als Muttersprache spreche, konnte ich die Kurse gut schaffen und hatte auch gute Noten. Da würde ich sagen, dass die Anforderungen bei meinen Kursen hier an der Uni in Berlin höher sind.

 

Gab es auch andere Eltern an der Uni?

Nein. Das liegt auch daran, dass die Studierenden in Spanien sehr jung sind. Die sind viel schneller mit der Schule fertig und oft waren die meisten in meinen Kursen etwa 18 oder 19 Jahre alt.

 

Welche Kulturunterschiede sind dir in Erinnerung geblieben?

Da fällt mir eine Situation ein: In spanischen Supermärkten kommt es mal vor, dass man ein ganzes Ferkel in der Kühltruhe findet. Als mein Sohn das gesehen hat, war er natürlich erstmal schockiert und wollte daraufhin überhaupt kein Fleisch mehr essen. In der Vorschule war es für das Personal unvorstellbar, dass ein Junge kein Fleisch essen wollte und man hat ihn beim Mittagessen aufgefordert, auch das Fleisch zu essen. Wir haben dann mit der Schule geredet und sie erzählten mir, dass sie das verwunderte und sie sich sorgten, dass er sich vielleicht nicht nahrhaft ernähren würde, und sie hätten ihn ja mir zuliebe dazu bewegen wollen, das Fleisch doch zu essen. Bei uns in Deutschland ist das Tier in den Supermärkten ja nicht mehr wiederzuerkennen, wenn man Fleisch kauft. Das ist ja meistens schon weiterverarbeitet, und als wir wieder zurück in Berlin waren, wollte mein Sohn irgendwann doch mal wieder Würstchen essen.

 

Was habt ihr zwei von dem Jahr mitgenommen?

Trotz der Schwierigkeiten anfangs hatte ich dort, denke ich, die schönste Zeit bisher. Ja, es war schwierig, aber ich habe es geschafft und ich bin auch stolz auf mich, dass ich das geschafft habe. Und so schwer es auch war, es war so ein schönes Lebensgefühl: Die Sonne scheint und es ist warm, auf den Straßen wirken die Menschen offener und fröhlicher, die Parks und Cafés sind voller Leben und irgendwie herrscht dort eine Leichtigkeit, die einzigartig ist. Und diese Leichtigkeit hat mich nachhaltig wirklich geprägt: Ich lasse mich heute nicht so leicht stressen und wenn es mal schwieriger wird, dann sage ich jetzt eher: „Ach, das wird schon gut ausgehen“, als dass ich mich wegen Hektik aus der Bahn werfen lasse. Das ist, glaube ich, so eine Mentalität, die ich dort kennengelernt und mitgenommen habe.

Mein Sohn hat heute nur gute Erinnerungen an die Zeit. Wir sprechen noch viel über unser Jahr in Madrid und ihm fallen dabei viele schöne Momente ein. Dass anfangs nicht alles so reibungslos lief, daran erinnert er sich gar nicht mehr. Heute geht mein Sohn in eine deutsch-spanische Schule und ist stolz, dass er so gut Spanisch spricht und dass er sogar schon mal in Spanien gelebt hat. Mit einem Schulfreund von damals steht er bis heute noch in Kontakt und wir fliegen auch dorthin zu Besuch und die Familie dort war auch schon bei uns in Berlin. Er merkt, dass das etwas Besonderes ist und er ist sehr froh darüber, das erlebt zu haben.

 

Das Interview führte Filip Mitrovski, studentischer Mitarbeiter des Familienbüros.

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